Nach Fadi S. wird ein weiterer Mann vermisst. Jörg W., Nachbar des Anwesens, auf dem die Leiche von Fadi S. gefunden wurde, ist verschwunden. Seine Frau meldet ihn am 5. März bei der Polizei als vermisst. Wie sich später herausstellt, kannte er Fadi S. gut.

Nur einen Tag nach der Vermisstenmeldung von Fadi S. geht eine weitere Suchanzeige bei der Polizei ein. Eine Nachbarin von Gerd F. meldet am 5. März ihren Mann als verschollen. Er soll mit dem alten Mercedes der Familie losgefahren und nicht zurückgekehrt sein. Das Grundstück des gesuchten Jörg W. grenzt zufällig direkt an das von Gerd F., in dessen Scheune noch bis vor ein paar Stunden der Tote lag. Ob ein Zusammenhang besteht, ist für die Ermittler zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.

Nur wenige Stunden nach dem Leichenfund von Fadi S. gerät Jörg W. jedoch ins Visier der Mordkommission [1]. Mit Hilfe eines äußerst außergewöhnlichen Fahndungsfotos [2] suchen die Ermittler nach dem 51-Jährigen, der früher in der Fremdenlegion gewesen sein soll [12/13]. Das Bild zeigt W. lässig mit einer Flasche Bier in der Hand an ein Auto gelehnt, in der anderen hält er eine Pistole, im Mundwinkel hängt eine Zigarette. Dazu trägt er eine Camouflage-Hose, um W.s Hals baumelt ein großes Goldkettchen. Die Augen werden von einer Sonnenbrille verdeckt, deren Gläser den Schriftzug „Rotzevoll“ tragen.

Foto: Polizei

Jörg W. lebte bis zu diesem Zeitpunkt auf einem landwirtschaftlichen Anwesen an der Frotheimer Straße  und betrieb gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Art Reiterhof. 2012 zog das Paar von Duisburg nach Hille und hielt sich seitdem mit Reitunterricht und dem Unterstellen von Pferden über Wasser. Außerdem ging Jörg W. diversen Gelegenheitsjobs nach, wechselte jedoch alle paar Monate den Arbeitgeber. In der Zeit von 1982 bis 2017 kam er so bei rund 30 verschiedenen Firmen unter.

Freunden und Kollegen gegenüber prahlte der gelernte Dreher gerne mit seiner Zeit bei der Fremdenlegion. Fünf Jahre – von 1988 bis 1993 – will er hier gedient haben, erzählt von Auslandseinsätzen und Aktivitäten bei den Fallschirmjägern. Nichts davon stimmt, wie sich später herausstellt. Aufgrund einer Verletzung an den unteren Gliedmaßen wurde Jörg W. – der in der Fremdenlegion den Namen Johann Wagner bekam– bereits am 4. August 1990 nach nur zwei Monaten und 28 Tagen aus der Militärorganisation entlassen.

Von Krankheiten spricht Jörg W. später auch gegenüber einer Psychologin [13]. Demnach hätten zwei Ärzte – unabhängig voneinander – bei ihm Krebs diagnostiziert. Die Mediziner hätten, wie er später erfahren habe, beide Selbstmord begangen, er habe mit seiner Krankheit aber einfach so weitergelebt. Es ist nicht die einzige Geschichte, die zweifelhaft klingt. Immer wieder behauptet W. gegenüber Dritten, er habe Kontakte ins Rocker-Milieu. So soll er auch auf der Hochzeit von Hells-Angels-Größe Frank Hanebuth eingeladen gewesen sein.

Leute aus seinem Umfeld beschreiben den Zwei-Meter-Hünen als freundlich und hilfsbereit. Sie nennen ihn einen Macher, der allerdings immer wieder Geldprobleme hatte. Bei etlichen Bekannten und Arbeitgebern lieh W. sich über die Jahre Geld. Diese Probleme wurden offenbar aber immer drängender.

Sucht die Polizei tatsächlich nur einen Vermissten, oder hat W. etwas mit dem Tod von Fadi S. zu tun?


Quellen:

[1] Gemeinsame Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Bielefeld, der Polizei Bielefeld und der Polizei Minden-Lübbecke vom 9. März 2018

[2] Gemeinsame Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Bielefeld, der Polizei Bielefeld und der Polizei Minden-Lübbecke mit Fahndungsaufruf Jörg W. vom 10. März 2018

[12] Recherche Mindener Tageblatt

[13] Aussage/Protokoll vor dem Landgericht Bielefeld